STB-Geschäftsführer Matthias Ranke. Foto: STB/Neumann

„Die aktuellen Vorwürfe unterscheiden sich von denen aus der Vergangenheit!“

STB-Geschäftsführer Matthias Ranke äußert sich zu den aktuellen Vorwürfen im weiblichen Gerätturnen, gibt einen Einblick in sein Seelenleben und wirft einen Blick in die Zukunft.

Matthias, in den vergangenen Wochen ist eine regelrechte Vorwurfs-Lawine über den deutschen Turnsport niedergegangen. Auch das vom Schwäbischen Turnerbund (STB) betriebene Kunst-Turn-Forum stand und steht heftig in der Kritik. Seit fünf Jahren bist du STB-Geschäftsführer und stehst damit für das aktuelle Management. Kannst du uns zu Beginn mal einen Einblick in dein Seelenleben geben?
Die aktuelle Situation hätte ich mir vor ein paar Jahren wirklich nicht ausmalen können. Nachdem ich im Januar 2020 als Geschäftsführer angefangen hatte, brach unmittelbar die Corona-Epidemie über unsere Sportlandschaft herein. Nachdem wir zuversichtlich waren, diese so gut es geht überstanden zu haben, müssen wir nun mit aller Energie versuchen, die aktuellen Herausforderungen im Olympischen Spitzensport anzugehen und bestmöglich zu bewältigen. Das wird schwer genug. Generell kann ich sagen, dass wir seit dem 20. Dezember im Dauereinsatz sind, was dieses Thema angeht und nichts unversucht lassen, um allen gerecht zu werden. Und das betrifft natürlich nicht nur mich, sondern alle beteiligten Mitarbeitenden.

Wie müssen wir uns das im Detail vorstellen?
Da die Situation sehr komplex und sehr dynamisch ist, geht es zum einen immer sehr viel um enge interne Abstimmung, aber auch um die externe Abstimmung mit allen beteiligten Institutionen. Das sind vor allen Dingen der Deutsche Turner-Bund und die Staatsanwaltschaft. 

Im Hintergrund wird also von STB-Seite Vollgas gegeben. Und trotzdem kommt zurzeit immer wieder der Vorwurf - auch von vermeintlich seriösen Medienhäusern – auf, dass wir mauern und nicht kooperieren!
Wie ich eben schon geschildert habe, trügt der Eindruck und das ist absolut ärgerlich für uns. Wir haben zum Beispiel immer alle Fragen, die uns erreicht haben, sofern möglich, sofort beantwortet. Grenzen setzt uns dabei aber oft das Persönlichkeitsrecht, daher dürfen wir leider nicht immer alles in der Öffentlichkeit kommunizieren, was intern unternommen wird. Wir würden auch gern, wieder einen engeren Austausch mit unseren Turnerinnen und Turnern  aufnehmen. Aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen müssen wir uns allerdings derzeit zurückhalten, was wir natürlich respektieren. Dass einige Medien aus diesen Umständen oft trotz besseren Wissens einen Vorwurf machen, ist für uns unverständlich. 

Kommen wir zum Kern der Sache. Was sagst du als STB-Geschäftsführer zu den im Raum stehenden Vorwürfen im weiblichen Gerätturnen? 
Zuerst muss ich sagen, dass mich die von den Turnerinnen geschilderten Sachverhalte maßlos ärgern, ja sogar wütend machen. Ich bin wirklich schon lange im Geschäft und habe diverse Fortbildungen oder Workshops für Führung in meiner beruflichen Karriere besucht. Ich habe noch nie gehört, dass man mit Stress und psychischem Druck am Ende ein besseres und nachhaltigeres Ergebnis erreicht als im Miteinander. Insofern ist es für mich absolut unverständlich, dass dies offenbar in der Vergangenheit teilweise anders gelebt worden sein muss – auch unter dem Dach des STB. Es tut mir sehr leid, welche Erfahrungen unsere Turnerinnen offensichtlich teilweise in der Halle machen mussten. 

Entsprechend klar und zügig ist der STB nach Information über die Vorwürfe vorgegangen!
Ja, auch das wird in der Öffentlichkeit nicht wirklich wahrgenommen. Wir haben schon im vergangenen Jahr, bevor das Thema überhaupt in die Öffentlichkeit kam, Dinge in die Wege geleitet. Aber auch hier gilt es, die Persönlichkeitsrechte zu wahren. Daher bitte ich um Verständnis, dass wir bis heute nur bestätigen können, dass wir inzwischen dauerhafte personelle Maßnahmen getroffen haben. Die Botschaft hinter dieser juristisch geprägten Aussage dürfte ja aber jedem klar sein. 

Betreffen denn alle Vorwürfe die aktuelle Zeit?
Nein, der Großteil der von den Turnerinnen öffentlich gemachten Vorwürfe betrifft die Jahre vor 2021, teilweise sind sie mehr als zehn Jahre alt. Zu dieser Zeit waren Großteils andere Strukturen und andere Personen in der Verantwortung. Wir haben aber seit April 2021 sehr viel verändert. Viele der damals geschilderten Missstände konnte es danach aus organisatorischen Gründen gar nicht mehr geben. 

Und trotz all dieser Maßnahmen gab es nun auch aktuelle Vorwürfe? Wie erklärt man sich das?
Wir sind davon ausgegangen, dass die seinerzeit initialisierten Maßnahmen jedenfalls in den letzten drei Jahren dazu führen würden, dass Erfahrungen, wie sie zum Beispiel Tabea Alt in ihrer Karriere erleben musste, vermieden werden. Ein Stück weit ist das auch so. Die Vorwürfe, die uns jetzt erreicht haben, unterscheiden sich von denen aus der Vergangenheit. Aktuell geht es hauptsächlich um verbale Entgleisungen, ohne, dass ich die entschuldigen wollen würde. Auch so ein Verhalten hat keinen Platz in unseren Turnhallen. Aufgrund der jüngsten Meldungen und Veröffentlichungen von Turnerinnen müssen wir daher die Wirksamkeit und den Erfolg der bislang eingeleiteten Maßnahmen erneut auf den Prüfstand stellen – und zwar sehr kritisch.  

Aktuell gibt es Diskussionen um die Art und Weise der Untersuchung und der dann folgenden Aufarbeitung. Wie ist die Haltung des Schwäbischen Turnerbunds dazu?
Wir begrüßen ausdrücklich eine externe Aufarbeitung und sagen unsere volle Kooperation zu. Hierzu sind wir im Austausch mit den beteiligten Institutionen. Entsprechend offen verhalten wir uns gegenüber der Staatsanwaltschaft.  Wichtig ist hierbei: Der STB ist wie andere Institutionen auch als sogenannter Dritter von Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft Stuttgart im Zuge der Vorwürfe im Turnen betroffen. Das laufende Ermittlungsverfahren richtet sich nicht gegen den STB und auch nicht gegen Verantwortliche des STB; wir sind nicht Beschuldigte in dem staatsanwaltlichen Verfahren.  

Wird es in Zukunft weiterhin Spitzenturnen am Standort in Stuttgart geben?
Für uns steht fest, dass sich die von den Turnerinnen beschriebenen Erfahrungen nicht wiederholen dürfen; sie sind schlicht nicht zu akzeptieren. Wir sind zugleich fest davon überzeugt, dass humaner Höchstleistungssport möglich ist und man trotzdem international konkurrenzfähig sein kann. Wir bekennen uns ausdrücklich auch weiter zum Olympischen Spitzensport und somit auch zu unserem im März stattfindenden EnBW DTB Pokal. Auch wenn das noch ein bisschen unwirklich erscheint: Wir freuen uns alle auf vier tolle Turn-Tage in der Stuttgarter Porsche-Arena. 

Wie wird man mit den Vorwürfen im Rahmen des EnBW DTB Pokals umgehen?
Es ist klar, dass wir mit dem Thema möglichst offensiv und transparent umgehen möchten. Wir überlegen zurzeit, welche Möglichkeiten es gibt, alle Turnerinnen und Turnfans beim EnBW DTB Pokal hierzu mitzunehmen. 

Wie reagieren die Partner des Schwäbischen Turnerbunds auf die aktuellen Schlagzeilen in den Medien?
Sehr besonnen. Dafür sind wir natürlich sehr dankbar. Schließlich besteht der Schwäbische Turnerbund aus weitaus mehr als dem Olympischen Spitzensport. Wenn ich überschlagen müsste, spielen sich 85 Prozent unseres Engagements außerhalb dieses Bereichs ab. Bei vielen unserer Events steht das Gemeinschaftser¬lebnis und die Vielseitigkeit von Turnen im Vordergrund. Ebenso leisten wir eine intensive Bildungsarbeit für unsere knapp 1800 Turn- und Sportvereine im Verbandsgebiet. Das wissen auch unsere Partner und die Politik. Natürlich haben wir in den vergangenen Wochen dazu trotzdem intensive Gespräche geführt. Dabei kam heraus, dass unserer Partner an unserer Seite stehen. Sie wollen auch in Zukunft gemeinsam mit uns einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft erbringen. 
 

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